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Historisches Gauting
Lebensraum seit 3.000 Jahren
Die Flur der Gemeinde Gauting gehört zu den ältesten und geschichtlich bedeutendsten Siedlungsflächen im Umkreis der Stadt München.
Von der letzten Eiszeit (Würm-Eiszeit, etwa 100.000 bis 10.000 v. Chr.) geformt finden sich im Würmtal und seinen angrenzenden Schotterflächen Spuren von Menschen seit dem Ende der Jungsteinzeit. Ein die natürliche Trasse des Tales nutzender Nord-Süd-Handelsweg, der seit vorgeschichtlicher Zeit bestand, begünstigte die Siedlungsentwicklung im oberen Würmtal, die vor ca. 3.500 Jahren einsetzte (Hügelgräberbronzezeit, Hallstattzeit). Die „Viereckschanze“ von Buchendorf, eine der besterhaltenen keltischen Wallanlagen Süddeutschlands (Latènezeit, ab 500 v.Chr.), zeugt von der Attraktivität des Gebietes, wie auch die reichen Ausgrabungen, die einen kleinen römischen Verwaltungssitz ab ca. 50 n.Chr. bis ins 4. Jh. am Schnittpunkt zweier römischer Fernstraßen belegen (von Westen über Augsburg nach Salzburg auf den Balkan und von Südgallien und Italien über Kempten evtl. bis zur Donau). Unzählige Funde (Scherben von schönem Terra-Sigillata-Geschirr, Glasgefäße, Schmuck und Schminkutensilien) – besonders aus dem Bereich der heutigen Reismühler Straße – bezeugen einen gewissen Wohlstand der etwa 150 bis 200 Einwohner.
Am Ende des 6. Jh. belebten bajuwarische Siedler den Ort wieder (Funde aus Reihengräbern hinter der heutigen Sparkasse am Bahnhofsberg). Im 8. Jh. gehörten Teile des Siedlungsgebietes zu karolingischem Königsgut. Überliefert ist uns dies durch die Schenkung der Kysila, einer Schwester Karls des Großen, welche die Kirchen von Gauting, Buchendorf und Leutstetten samt umfangreichen Gütern dem Kloster Benediktbeuern zueignete. Vor diesem historischen Hintergrund entwickelte sich die Sage von der Geburt Karls des Großen in der Reismühle.
Vom hohen Mittelalter bis zur Säkularisation 1803 dienten die Gautinger Bauern innerhalb des Ortes unterschiedlichen Grundherren (den Klöstern Andechs, Benediktbeuern, Wessobrunn, dem Hochstift Freising, Adels- und Patrizierfamilien).
Ein gutes Drittel wurde zur Herrschaft des Hofmarkschlosses Fußberg gerechnet. Es war im 12. Jh. als kleine Wasserburg zur Verteidigung des Würmtals entstanden.
Seit dem 14. Jh. ging der Besitz durch mehrere Hände.
1621 übernahm das Kloster Andechs Schloss und Hofmark und behielt es bis 1803. Danach folgten verschiedene Adelige, darunter der berühmte „Eremit von Gauting“. 1893 erwarb den Besitz Julius Haerlin, der Gründer der Gautinger Papierfabrik und größte Industrielle am Ort. 1981 schließlich kaufte die Gemeinde Gauting Schloss und Park.Durch die Jahrhunderte hindurch war Gauting ein Dorf armer Bauern, die, um überleben zu können, noch ein Handwerk ausüben mussten. Seltenere Gewerbezweige wie Glaser, Sattler, Gerber verhalfen dem Ort zu übergeordneter Bedeutung in der Umgebung. Erst die Reformen Montgelas brachten den Bauern Eigentum an Grund und Boden und den Landgemeinden Selbstverwaltung. Seit 1818 gehört Stockdorf zu Gauting. Die heutigen Gemeindeteile Buchendorf, Unterbrunn und Oberbrunn mit Hausen wurden erst im Zuge der Gebietsreform 1978 mit Gauting zur Großgemeinde vereinigt.
Einen bedeutenden Anstoß für ihre Entwicklung erhielt die Gemeinde durch den Bau der Eisenbahnlinie München-Starnberg 1854. Seit 1903 entstand westlich der Bahn die Gautinger Villenkolonie. Bis 1900 hatte sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt, bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs stieg sie auf das Achtfache (1940: 4.700). Aus Bauernland wurde Bauland und das Dorf öffnete sich denen, die sich hier neu niederließen und nun den Charakter des Ortes mit prägten.
Nach 1945 setzte der Zustrom der Flüchtlinge vorwiegend aus dem Sudetenland und Schlesien ein. Sie haben einen nicht geringen Anteil an der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer Gemeinde in den letzten 60 Jahren. Seit 1973 besteht eine lebendige Partnerschaft zu der südfranzösischen Stadt Clermont l‘Herault, seit 2002 zu Patchway in Großbritannien.
Enge Beziehungen zu Israel entstanden durch die Ende der 80er Jahre von Gauting initiierten Mahnmale zum Todesmarsch aus den Lagern Dachau und Kaufering und durch den jüdischen Friedhof, der eng an das Schicksal der Patienten des Gautinger Krankenhauses nach 1945 geknüpft ist.
Innerhalb des sich seit den 70er Jahren stark verdichtenden Großraumes München ist es Gauting gelungen, seinen eigenständigen Charakter zu bewahren. Das anhaltende Wachstum beweist, dass der Ort seine Anziehungskraft bis heute nicht verloren hat. Arbeit am Ort, gute Infrastruktur im sozialen Bereich und ein bemerkenswertes Kulturangebot bedingen heute die Bedeutung Gautings über seine Ortsgrenzen hinaus: das alles eingebettet in die schöne Landschaft des Würmtals.
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Archäologische Funde am Krapfberg
Außergewöhnlich kostbare Schmuckstücke aus archäologischen Grabungen geben Aufschluss auf Oberschicht mit internationalen Handelsbeziehungen (archäologische Grabungen am Krapfberg 5, Gauting, August 2021)
Außergewöhnlich reich verzierte Schmuckgegenstände, darunter Fibeln aus Gold und Edelsteinen, Perlen und Anhänger sowie repräsentative Waffen fanden Archäologinnen und Archäologen in frühmittelalterlichen Gräbern am Gautinger Krapfberg. In Vorbereitung von Bauarbeiten hatten sie 15 Bestattungen untersucht, Befunde dokumentiert und die Funde geborgen. Sie wurden nun am Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege gereinigt und konserviert.
Besonders kostbar ist der Schmuck einer jungen Frau, die bei ihrem Tod kurz vor dem Jahr 600 kaum älter als 20 Jahre alt gewesen sein dürfte. 56 Perlen aus Glas und Bernstein, drei Goldanhänger und eine Scheibenfibel aus purem Gold mit Granatsteinen haben die Archäologinnen und Archäologen darin gefunden. Auffällig war auch eine Bügelfibel aus feuervergoldetem Silber, die eigentlich typisch für Skandinavien und England war. „Das Grab der jungen Frau ist als eines der reichsten ihrer Zeit im südlichen Bayern einzuordnen. Ihr teurer Schmuck spricht dafür, dass sie einst eine äußerst modebewusste Trendsetterin gewesen sein muss“, sagt Generalkonservator Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.
Ihre Goldfibel wurde in einer linksrheinischen, fränkischen Werkstatt hergestellt. Die Art, wie die Trägerin ihren Mantel mit der Scheibenfibel verschloss, dürfte zum Zeitpunkt der Bestattung gerade erst in Mode gekommen sein: Zentral und stets sichtbar im Brustbereich getragen, markierte sie einen neuen Kleidungsstil mediterraner Prägung, der noch bis weit in das 7. Jahrhundert hinein modern bleiben sollte. Die Granatsteine, die die Fibel zieren, stammen wahrscheinlich aus Indien. „Funde dieser Art waren echte Statussymbole und zeugen heute von einer zeitweise perfekt funktionierenden internationalen Handels- und Verarbeitungskette im Mittelalter“ erklärt Dr. Jochen Haberstroh, der zuständige Archäologe am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.
Darüber hinaus stießen die Archäologen auf dem frühmittelalterlichen Friedhof auf das Grab eines Mannes, der vermutlich zwischen 510 und 520 beerdigt worden war. Anthropologische Untersuchungen ergaben, dass er zwischen 30 bis 60 Jahre alt wurde. Sein Grab war ungestört. Eine aus Damaszenerstahl gefertigte Spatha (Langschwert), eine Franziska (Wurfaxt) sowie ein eiserner Schildbuckel weisen den Verstorbenen als Krieger aus. Neben einem aus Bein gefertigten Kamm und einem Feuerzeugset fand sich im Hüftbereich des Verstorbenen eine aus Bergkristall geschnittene Gürtelschnalle mit silbernem, ursprünglich vergoldetem Dorn. Sie zeigt, dass der Bestattete ebenfalls zur sozialen Oberschicht gehört hat.
Gauting ist vor allem für seine römische Vergangenheit bekannt. Die reichen Grabfunde machen aber deutlich, dass der Ort sicher auch im Frühmittelalter von Bedeutung war.
Bereits in den 1860er und 1870er Jahren wurden bei Baumaßnahmen und Erdabtragungen Bestattungen entdeckt. Die aktuellen Funde sind die ersten des großen frühmittelalterlichen Friedhofs in Gauting, die modern ausgegraben und dokumentiert wurden. Eigentümerin ist die Gemeinde Gauting. Deren Gemeinderat wird demnächst darüber beraten, was mit den Funden geschehen soll, etwa ob und wie sie der Wissenschaft und der Öffentlichkeit zugänglich bleiben.Text und Bilder: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege